Seit der Ankunft der ersten Europäer vor zwei Jhdtn. sind die Bewohner der Pazifikinseln immer wieder grausam behandelt worden. Das reicht von Missionaren und Kolonialherren, die ihre üblichen gräßlichen Spuren hinterließen und zusätzlich gemeinsam mit Matrosen tötliche Krankheiten einschleppten, über Sklavenhandel bis zum Mißbrauch des Gebietes durch die Franzosen für Atomwaffentests und der Beseitigung radioaktiver Abfälle.
Vor allem gegen die Atomwaffentests haben die Polynesier immer wieder erbittert gekämpft.
Sie hatten die üblichen entsetzlichen Auswirkungen dieser Tests zu tragen, es gab Mißgeburten und viele starben an der Strahlenkrankheit. Natürlich nicht und nie offiziell. Selbst gewalttätige Demonstrationen konnten die Wiederaufnahme der Tests 1995 nicht verhindern. Und noch heute hört man von so manchem Fremdenlegionär, der seine frühe Pension hier in diesem Paradies verbringen darf: "Was regen die sich so auf? Wir haben alles ganz genau abgewischt!"...Da bleibt einem der Kloß im Hals stecken.
Das uns die Einheimischen nach diesen vielen negativen Erlebnissen mit Europäern immer noch mit offenen Armen und grenzenloser Herzlichkeit empfangen, können wir nur als Zeichen ihrer Großmut und Versöhnlichkeit sehen. Nur mit den Leuten der "Grand Nation" tun sie sich dann doch etwas schwer..
Auf unserem "Weg der Begegnungen" sind wir noch immer in Makemo unterwegs. Das Kreuzen durch die Lagune fordert die gesamte Aufmerksamkeit von uns beiden, sie ist gespickt mit kleinen und großen Korallenköpfen die bis an die Wasseroberfläche wachsen, sodaß wir immer wider ausweichen müssen.
Als am späten nachmittag die Sonne zu tief steht, um genügend Licht für sicheres Navigieren zu geben, suchen wir uns einfach ein schönes Plätzlchen am Nordrand der Lagune und lassen unseren Anker in den Sand fallen. Die Leinen sind noch gar nicht verräumt, als plötzlich ein Pärchen am Strand steht, und uns mit nachdrücklichem Winken bedeutet, doch rüber zu kommen.
Also lassen wir das Dinghi zu Wasser und paddeln. Schon auf halbenm Weg werden wir von Gaston, bis über die Hüften im Wasser, in Empfang genommen und durch die Korallen gelotst, wo uns am Strand seine Frau Adele erwartet.
Die beiden sind fröhlich und freuen sich sichtlich über den Besuch von uns wildfremden Menschen.
Mit einer Trinknuss in der Hand folgen wir ihnen über ihre auffallend gepflegte Insel. Stolz zeigen sie uns ihr grosses Regenwassersammelsystem, ihren sorgsam aufgepäppelten Papayabaum und pflücken uns die zwei letzten reifen Feigen zum Kosten vom Feigenbaum. "Die grünen brauchen noch ein paar Tage", meint Adele. Es sind die zwei einzigen Bäume auf ihrem Grundstück, die keine Kokosnüsse produzieren. Sonst gibt es hier kein frisches Obst. Außer im Dorf, Äpfel und Orangen aus NZ bzw. USA. für Adele und Gaston aber zu teuer.
So schwer es ist, auf den Koralleninseln irgendwelche Obstbäume zu ziehen, so leicht wachsen üppige Kokospalmen. Die beiden sind zwar in Pension, produzieren aber auf ihrer Insel noch Kopra aus den Kokosnüssen. Das ist eine schweißtreibende Arbeit (was ist in diesem Klima nicht schweißtreibend?), die Kokosnüsse zu ernten, zu sammeln, mühsam zu öffnen, das Kokosfleisch herauszulösen und zu trocknen und gegen alle möglichen hungrigen Viecherl (Ratten, Krabben, Krebse) zu verteidigen.
Nachdem Gaston in einer grossen Tonne Feuer enfacht hat, um mit dem Rauch verbrannter Kokosnusschalen die lästigen Mücken zu vertreiben, bitten sie uns zum Kaffee in ihr bescheidenes Heim.
Der ca. 40m² große Raum ist durch die Einrichtung in einen Wohn- bzw. Schlafbereich abgetrennt. Er ist einfach aber geschmackvoll eingerichtet, Adele liebt es, mit Palmblättern, die in ihren Händen zu wahren Kunstwerken geflochten werden, Muscheln und schönen Wurzeln zu dekorieren.
Der große Stolz aber ist der Kühl- und Gefrierschrank. Zusammen mit den Solarpanelen, Regler, Batteriebank und Wechselrichter eine Investition von einigen tausend Euros. Gabs im Paket komplett mit Finanzierung. Dafür zahlen sie die nächsten 15 Jahre einen Teil ihrer Pension als Raten zurück. Stellt euch das vor, für einen Kühlschrank 15 Jahre Schulden tilgen!
Sie erzählen uns von ihrer Familie und ihrem Leben.
Die holprige Kommunikation mit Händen, Füßen und Zeichnungen ist lustig. Bevor es ganz dunkel wird paddeln wir auf die Alchi zurück, nicht ohne auch noch mit kunstvoll geflochtenen Hüten aus Palmblättern und frischen reifen Feigen beschenkt worden zu sein. Ihre gesamte letzte Feigenernte zaubern sie aus dem Kühlschrank und bestehen darauf, dass wir alles mitnehmen. Gut, dass wir schon soweit "polynesisch" gelernt haben, und uns ohne Gastgeschenk schon gar nicht mehr an Land wagen. Somit stehen wir wenigstens nicht mit ganz leeren Händen da.
Für uns bestätigt sich wieder der Eindruck, den wir von diesen Menschen, die soweit abgeschieden leben, erhalten haben. Sie leben sehr einfach, und damit auch anspruchsloser. Sie sind zufrieden. Und haben es nicht nötig, nach dem Glück erst zu suchen.
Die Hüte werden uns immer an diese herzliche Begegnung erinnern, auch noch in 15 Jahren, wenn die Solarschulden getilgt sind und der Kühlschrank hoffentlich immer noch kühlt.
Wenige Tage später liegen wir am Südostrand vom Atoll Makemo vor einem kleinen wunderschönen Motu. Die Insel ist mit Kokospalmen bepflanzt, aber nicht wild, es wirkt aufgeräumt, eine winzige gemauerte Hütte mit Wellblechdach und ein Tischchen sind auch schon vorhanden. Wirkt ein bißchen wie eine improvisierte Campingplatzzelle. Zwei Abende genießen wir diese Idylle alleine, genehmigen uns ein Glas Wein zum Sonnenuntergang, strecken die Füße in den Sand, starren ins Lagerfeuer, legen uns auf die schrägen Palmen und blicken mit glänzenden Augen in den atemberaubenden Sternenhimmel der Neumondnacht. Irgendwie wirkt alles irreal, nicht echt. Wie eine Filmkulisse in einem romantischen Kitschfilm und man hat Angst, aufzuwachen.
Am Freitag trifft ein Sportboot ein. 5 Männer laden einen Haufen Zeugs aus dem Boot und bauen ein richtiges Zeltlager unter den Palmen auf. Wir sind enttäuscht. "Das ist unsere kleine Glücksinsel, wir waren zuerst da!". Typisch europäischer Gedankengang. Die Erkenntnis beschämt uns. Polynesisch denken! Freu dich über die anderen Menschen und teile dein Glück mit ihnen, dann erst ist es vollkommen.
Als die Männer mit dem Boot ablegen, winken wir freundlich. Sie winken freundlich zurück. Ich deute auf die Angel und signalisiere eine Frage. Sie lächeln freudig, nicken und kommen längseits an die Alchi. Einer der Männer spricht sogar sehr gut Englisch. Sie öffnen die Kühlbox und schenken uns eine große Stachelmakrele. Wir freuen uns riesig und schenken ihnen eine Flasche Rum. Nun ist die Freude auf ihrer Seite groß. Sie erklären uns, dass sie nun alles für ein schönes Wochenende vorbereitet haben, und jetzt ihre Frauen abholen. 2 Stunden später kommen sie mit ihren Prinzessinnen zurück und schauen gleich nochmal bei uns vorbei. Einer der Jungs produziert eigenen Honig und schenkt uns gleich eine grosse Flasche davon. Honig ist hier sehr beliebt und sehr teuer. Wir bedanken uns noch herzlich und sie laden uns für später ein. Polynesisch. Teilen.
Es ist bereits dunkel, als wir an Land paddeln. Die Gruppe ist gerade beim Essen. Wir bekommen sofort Teller und Besteck in die Hand gedrückt und eine nachdrückliche Aufforderung kräftig zuzulangen. Unsere Mägen dehnen sich schon von den Makrelenfilets, jetzt kommt halt noch was drauf. Ablehnen wäre äußerst unhöflich. Also schmelzen noch "Poisson Cru" (roher Fisch in Kokosmilch) und Fischcarpaccio (roher Fisch in Olivenöl, spritzer Sojasoße, Ingwer, Zwiebelchen,..sabber) auf unserer Zunge. Die halbe Gruppe spricht ausgezeichnet Englisch. Frank und seine Kinder stammen ursprünglich von den englischsprachigen Cook Inseln. Alle sind Zeugen Jehovas. Aber niemand versucht uns zu bekehren oder gar anzuwerben. Sie interessieren sich für die österreichischen Menschen und ihre Religion. Das die Österreicher für ihren Glauben an Gott Steuern zahlen müssen können sie nicht verstehen. Das sei abartig meint eine der Damen.
Später entzünden wir das Lagerfeuer am Strand und lassen uns in den Sand fallen. Eine Gitarre wird herumgereicht und Lieder in Polynesisch, Französisch und Englisch werden inbrünstig vorgetragen. Auch Wolfgang Ambros' Schifoarn wird an diesem Abend zweistimmig über die sanfte dunkle Lagune hallen. Alle Augen glänzen. Glück. Teilen!
Eine weiter Begegnung haben wir auf dem Weg von Makemo zum Atoll Amanu. Natürlich haben wir wie immer unsere 2 Schleppangeln mit den Ködern in Betrieb, als Veronika einen Orca entdeckt, der in hohem Tempo von hinten an unser Köderfischerl heranschwimmt. An der riesigen Finne und der charakteristischen schwarz-weiß Färbung ist das Tier leicht zu bestimmen. Hoffentlich beißt der nicht auf unsere Köder, weil dann müssten wir schnellstens die Leinen kappen, sonst bricht uns der Riese auch noch die Angeln ab. Doch wie auch die Delfine sind die Schwertwale zu intelligent, um auf unechte Fische aus Plastik hereinzufallen. Nach kurzer Inspektion schwimmt er bei den Ködern vorbei und nimmt jetzt direkten Kurs auf unser Heck.
Was will er denn? In Sekundenbruchteilen rasen unsere Gedanken zu den Geschichten, die wir von Orcas gehört haben. Orcas attakieren Yachten? War das eine Story mit Seemannsgarn oder eine bestätigte Pressemeldung? Himmel, der kommt aber ganz schön schnell näher! Tam Tam Tam Tam, die Titelmelodie aus dem Film der weiße Hai ist plötzlich zu hören. Wo kommt denn die auf einmal her? Ach so, das ist der eigene Puls der so laut und schnell schlägt. Verdammt, nur noch ein paar Meter, ach Gott ist der groß! Will der ins Ruderblatt beißen? Was sollen wir machen???
Auch wenn ihr ihn nicht erkennt, hier schwimmt ein Orca unter der Alchi! Wir wissen dass er da ist! |
Liebe Grüße
die Alchemisten