Montag, 13. Februar 2012

Zurück in den Tuamotus



Lebenszeichen

Weder Moby Dick hat uns verschluckt, noch sind wir das Opfer von Kannibalen geworden. Wir sind auch nicht einfach irgendwo in dieser Welt einsamer Inseln untergetaucht. Es gibt hier einfach kaum ein funktionierendes Internet. Kein Internet = kein Blog mit Fotos. Und wen interessiert da schon das Geschwafel von den schönsten Südseeatollen, ohne Fotos? Außerdem, wenn wir schon gemein sind und euch den Mund sabbrig machen, dann auch gscheit!

Aber nun Eines nach dem Anderen.

Das Atoll Tikehau ist uns leider grade mal einen Tag vergönnt. Der nördliche Wind muss ausgenutzt werden, und trägt uns weiter Richtung Osten. Mit prall gefüllten Segeln gleitet das Schiff unter azurblauem Himmel durch scheinbar endloses Wasser. Das sind die Momente, wo uns die Größe dieses Ozeans bewußt wird, und wir uns ganz winzig in unserer Nusschale fühlen. Bis wir die weiße Linie entdecken, die anzeigt, wo die Ozeanwellen gegen ein Korallenriff knallen. Die lange Dünung zieht unter unserem Schiff Richtung Riff, um dort mit gewaltigem Getöse zu brechen und ihre weiße Gischt zu versprühen.


 Rangiroa, das zweitgrößte Atoll der Welt liegt vor uns und nimmt schnell Gestalt an. Bald können wir dicht mit Palmen bewachsene Motus erkennen und finden nur Dank unserer Seekarten eine von nur zwei schmalen Lücken in diesem riesen Atoll, die es uns ermöglichen, in die geschützte Lagune zu kommen.
Nur eine leichte Strömung steht im Pass gegen uns. Ich stehe vorne am Bug und sehe durch das glasklare Wasser bis auf den Grund. Unter mir ziehen Korallenköpfe durch, dazwischen kann ich sogar einzelne Fische ausmachen. Vor uns zieht ein Adlerochen majestätisch seine Bahn, wie um uns den Weg in seine Lagune zu weisen.



Neben dem Dorf finden wir ein türkises Plätzchen vor einem Hotelresort zum Ankern. Ob die Internet haben?
Diese feinen Bungalows mit Glasboden über türkisem Wasser, sehen schon ganz nett aus.  In Anbetracht der Umstände, dass es auf den Atollen eigentlich nur Regenwasser zum sammeln gibt, fragt man sich natürlich, wie solche Resorts zu den Wassermengen kommen, die dauerduschende Touristen, Bettwäsche und Handtücher waschende Waschmaschinen und geschirrspülende Gewerbemaschinen täglich wegschlucken. Wahrscheinlich von einer Meerwasser-Entsalzungsanlage die, wie auch die ganzen anderen elektrischen Verbraucher, von einem Generator gespeist werden, dessen Durst wiederum mit Diesel gestillt wird. Diesel wird in Fässern von einem Schiff aus Tahiti herangebracht, wie auch Gemüse, Fleisch, Fisch und vieles mehr. Die Komplexität der Versorgung ist wohl auch der Hauptgrund, warum der Tagessatz bei 800.- EUR pro Person Vollpension liegt.
Internet, wenn überhaupt, gibt es nur auf den großen touristischen Atollen im Hauptdorf. Abseits herscht informationstechnologische Wüste. Gerade zu den Feiertagen, wo eh das Heimweh noch mehr plagt als sonst wird einem das Leben so ganz ohne Skype schon schwer gemacht. Da werden dann schon mal interessante Ideen ausprobiert, um mit der Aussenwelt in Verbindung zu treten.

Z.B. wissen wir als schlaue Mobiltelefonierer, wie wir die Handy-Empfangsschwäche entscheidend umgehen können. Und das geht so: Zuerst schreibt man ein SMS und sendet es mit 5 automatischen Wiederholungen. Während das Handy senden probiert, schmeisst man es schnell in eine Tasche und zieht diese dann bis in die Mastspitze, wo üblicherweise die Handystrahlen der entfernten Antenne noch stärker sind als am Boden. Nach einer Weile lässt man das Handy wider herunter und überprüft die ordnungsgemäße Sendung. Normalerweise. Wer aber vergisst, ein Gegengewicht in die Tasche zu packen, darf vor Weihnachten nochmals in das Masttop aufentern um sein Handy zu bergen und sicher zu Boden zu bringen. Ja, ja, der körperliche Einsatz, um mit unseren Lieben in Verbindung zu bleiben, ist bei uns sehr hoch.



 Immer auf der Suche nach möglichst geschützten Ankerplätzen und unserem "Weihnachtsinselchen", durchkreuzen wir die Tage vor Weihnachten die Lagune von West nach Ost, von Nord nach Süd. Dabei stolpern wir mitten in der Lagune über eine äußerst interessante Insel, Noa Noa. Die Bezeichnung der Insel und sogar mit Namen, ist bei gerade mal 70qm Landfäche schon etwas übertrieben, Korallenschutthaufen passt da wohl eher. Aber auf dem kleinen Haufen wächst ein Strauch. An sich wäre das ja nichts besonderes, wenn nicht dieser Busch durch seinen Schatten das perfekte Mikroklima für eine von Menschenhand dort platzierte Pflanze spenden würde. Ein profunder botanischer Vergleich mit der abgedruckten Flora auf einem uns zur Verfügung stehenden Bob Marley T-Shirt, ergab 100%ige Übereinstimmung. Diese "Reggae" Pflanze ist der eindeutige biologische Beweis, das Musik alle Grenzen überwindet.






Die schönste Weihnachtsüberraschung bescheren uns unsere Freunde Sandra und Reini von der Ave Gitana. Mit ihrem sportlichen Trimaran segeln sie von Apataki 100 sm zurück, um die Weihnachtsfeiertage mit uns zu verbringen. Das ein Versorgungsschiff mit Obst und Gemüse aus den Marquesas noch ihren Weg kreuzt, ist eine glückliche Fügung, die uns mit den leckersten Mangos und Pampelmusen versorgt. Unsere Weinachtskekse sind auch rechtzeitig fertig. Warum die Kekse so "happy smilen" liegt vermutlich an dem "Reggae-Kraut" das in das Rezept Eingang gefunden hat. Einem relaxten Weihnachtsabend steht also nichts mehr im Weg!










"Opa" Philip ist schon gut drauf!
Letztes Atoll im Jahr 2011 wird für uns Toao. In der Bucht "Anse Amyot" wohnen Valentine und Gaston mit Opa Philip. Sie leben vom Verkauf und Tausch von Fischen und Langusten und wenn Segler vorbeikommen, werden diese gerne bekocht.
Schnell finden wir einen Draht zueinander, zu jeder Tageszeit werden wir herzlich empfangen, immer ist Zeit für ein Tratscherl, und wir beschließen, den letzten Tag des Jahres gemeinsam zu verbringen.   
Neben Chico und Mira von der öst. SY "Chi" sind auch 5 Long Tail Fischer auf ihrem Weg in die Fanggründe an Toao vorbeigekommen, und gleich laufen die Vorbereitungen für die Sylvesterfeier auf Hochtouren.


Früh morgens des letzten Tages im Jahr wird sogar ein Ferkel geschlachtet und alles davon zu allem erdenklichen verarbeitet. Die Fischer steuern einen großen Truthahn zum Gelage bei und wir Österreicher sind für die Nachspeisen verantwortlich. Den ganzen Tag wird zerlegt, geschält, gekocht, gebacken, gegrillt,  Kokosnüsse werden von den Bäumen geholt und deren mühsam gewonnener Inhalt findet sich in Kuchen, Punsch und Fischgerichten wieder. Die Festtafel, schließlich unterm Sternenhimmel, biegt sich dann  von all den Schlemmereien.

Mangels konversationsfähigem Französisch verlegen wir uns bald auf die Mimik und Gestikulation. So ein pantomimisch dargestellter Fischzug kann dann schon eine halbe Stunde dauern und einem mit den erforderlichen Verrenkungen ganz schön ins Schwitzen bringen. Es ist ein lustiger und herrlicher Abend mit diesen offenen, herzlichen und so fröhlichen Menschen. Wieder haben wir uns ein Stückchen mehr in diesen traumhaften Flecken unseres Planeten mit seinen wunderbaren Menschen verliebt. Überhaupt alles scheint hier von Herzen zu kommen. Die Blicke, die Gesten, das Lachen.


 Die ersten Tage des neuen Jahres verbringen wir noch bei Valentine, Gaston und Philip. Alles mögliche wechselt seine Besitzer, es wird getauscht und geschenkt. Irgendwann heißt es aber auch hier Abschiednehmen. Den ganzen letzten Tag haben wir aus einem Bambusrohr eine extralange LED-Lampe gebastelt. Als wir sie den dreien als Abschiedsgeschenk über dem großen Tisch unterm Baum montieren, kann sich Valentine nicht mehr halten und verschwindet im Haus, um kurz darauf geheimnisvoll lächelnd mit einem Säckchen wiederzukommen. Sie alle sind ganz glücklich, jetzt nicht mehr bei Einbruch der Dunkelheit den lauten, durstigen Generator starten zu müssen. Die gespeicherte Solarenergie reicht nun aus, den ganzen Abend  mit Gästen an der langen Tafel bei gutem Licht zu sitzen. Auch ihr großzügiges Abschiedsgeschenk an uns ist etwas ganz Besonderes. Perlen aus ihrer eigenen kleinen Perlzucht! Damit diese berühmten dunklen Perlen auch zu einem Schmuckstück verarbeitet werden können, leiht uns Valentine sogar noch ihre  heilige, extra aus Alaska importierte Perlbohrmaschine. Mit dem Versprechen, im April bei unserer Rückfahrt von den Marquesas wiederzukommen, können wir uns verabschieden und brechen weiter Richtung Südosten auf.


Die Polynesier sind aber nicht nur ein heiteres, sorgloses Völkchen, sondern natürlich auch cool. Vor allem die Jungs. Dazu gibt es eine sehr wichtige und häufig anzutreffende Geste. Die im ganzen polynesischen Raum verbreitete "alles cool", "relax", "hang loose" Geste. Dazu streckt man von der Faust den kleinen Finger und den Daumen  weg. Es ist Frage und Antwort zugleich und bedeutet seelisches und körperliches Wohlbefinden. Diese Geste ist wohl in Österreich auch sehr bekannt und beliebt, nur wird sie ausschließlich vor dem Mund und mit einem kleinem Wippen des Handgelenks ausgeführt. Und ihre Bedeutung ist, das körperliche und seelische Wohlbefinden herbeizuführen. Gluck gluck ;-)
Auch im nächsten Atoll (Katiu) senden uns die kontaktfreudigen lokalen Kids wieder diese freundliche polynesische Signal. Allerdings ist noch nicht jeder der Buben im Besitz der notwendigen feinmotorischen Fähigkeiten. Das tut der Herzlichkeit und Freude keinen Abbruch.



Makemo erreichen wir schon einen Tag später. Im kleinen Dorf können wir uns mit dem notwendigsten versorgen und durchkreuzen dann das Atoll, immer auf der Suche nach den schönsten Flecken. Meist mit beiden Angeln hinten nach, nur keine Leerfahrten! Das fruchtet auch oft, diesesmal springt uns unser bisher grösster Fisch auf den Haken. Ein 14 kg Baraccuda mit 136cm kein Pemmal mehr!
Erst ist  natürlich die Freude groß, dieser Brocken stellt uns nun aber auch vor ein Problem.
Nun verhält es sich in den Tuamotus so, das Ciguaterra sehr unterschiedlich auftritt. Manche Atolle sind überhaupt nicht davon betroffen, in anderen gilt nur die ein oder andere Fischart als gefährlich. Wir nehmen das Problem ernst, und versuchen immer auf dem jeweils aktuellen Stand zu sein. Im Fall Makemo wissen wir von befreundeten Seglern, dass man hier unbedenklich jeden Fisch geniessen kann. Vorsichtshalber haben wir sogar noch beim Besitzer des Lebensmittelladens nachgefragt, der uns diese Auskunft bestätigt hat. Bei unserem Riesenräuber aber sind wir nun doch skeptisch. Da am Ende der Nahrungskette, gilt er als einer der am meist mit Ciguaterra angereicherten Fische.


Gespräch unter Fischern
Was tun also? Ab ins Dinghi, samt unserer grossen Beute und auf die Suche nach den nächsten Polynesier.  Wir treffen auf Coprabauern, werden mit einer Trinkkokosnuss herzlich begrüsst und gleich wird unser Riesenfang bestaunt. Nun sind sich auch die Lokals nicht mehr 100% sicher. Aber sie haben eine Lösung. Um ihre Copraausbeute gegen Krabben und Ratten zu schützen, haben sie eine ganze Hundefamilie, die uns um die Beine schwänzelt und sich auch sehr interessiert an unserem Fisch zeigt. So wird der Baraccuda gleich an Ort und Stelle zerlegt und die ersten Brocken an die Hunde verfüttert. Nachdem die gesamte Hundebande nach einer halben Stunde immer noch quicklebendig ist, wird einstimmig beschlossen, daß der Fang nun auch in unserer Pfanne landen kann. 2/3 davon verschenken wir, und ernähren uns immer noch für die nächsten 4 Tage vom Rest. Richtig fette Beute!



Die nächsten Tage finden wir unsere perfekte einsame Insel und führen ein Robinsonleben. Mit der Machete in der Hand erkunden wir das kleine Motu, lassen uns den Saft von frischen Trinknüssen über das Kinn laufen und schlagen uns knackige Palmherzen aus jungen Palmen. In mondlosen Nächten suchen wir am Aussenriff nach Lobstern.  Tagsüber jagen wir mit der Harpune zwischen den Korallen jeden Fisch in Pfannengröße und stöbern Oktopusse in den Ritzen auf.



Wir sammeln Holz, trockene Kokosnusschalen und Palmblätter, richten mit Korallensteinen eine Feuerstelle ein, säubern den Fisch und bereiten Zuspeisen. Von frischen Palmblättern haben wir gelernt, Teller und Schüsseln zu flechten. Ganz einfach, aber besser kann ein Abendmahl nicht schmecken! Fehlt nur noch ein Glas Wein zum Sonnenuntergang.








Die Nacht bricht hier herein mit der übergangslosen tropischen Plötzlichkeit. Eben noch gleicht die Lagune einem farbenprächtigen Brokatgewebe, im nächsten Moment schimmert sie in seidiger Schwärze, die nur unterbrochen wird von den Sternen, die sich im Wasser spiegeln und dem Mond, der seinen silbernen Zauber über alles legt.
In diesen Momenten gibt es keine Sorgen. Nur Wunder. Das Universum, unsere Erde, der Mensch, die Liebe. Man kann spüren, wie sich die Seele mit Glück füllt.
 
Wir lehnen im Sand an einer Palme, lauschen den Geräuschen der Natur und hängen philosophischen Gedanken nach.
Ungestörte Idylle.





Nicht ganz. Die meisten nichtmenschlichen Bewohner der Motus (Inseln rund um die Lagune) sind nachtaktiv und die Anwesenheit von Menschen nicht gewohnt. Daher wuseln nächtens auch Heerscharen von Einsiedlerkrebsen und Krabben auf der Suche nach Nahrung über den kühlen Sandboden. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass sie das Lagerfeuer anzieht, weil manchmal der Eindruck entsteht, dass sie sich zielstrebig auf die Glut zu bewegen.




Die lieben Krebserl tun aber keinem etwas und es hat sich auch noch keiner ins Feuer gestürzt. Ein anderer unwillkommener Gast am Lagerfeuer ist das "Palmhörnchen". Besser unter seinem wissenschafftlichen Namen "Rattus ordinarius", die gewöhnliche Ratte bekannt. Ist sie zu übermütig und kommt dem Menschen zu nahe, endet der dann entstehende Kampf, kleiner Nager gegen große Machete, manchmal für den kleinen Nager mitunter tödlich. Wir haben die Ratte dann an die Haie verfüttert, die haben sie aber überraschender Weise wieder ausgespuckt. Wahrscheinlich zu pelzig für einen Fisch.


Abgesehen von der Lagerfeuerromantik bringt uns der Alltag auch immer wieder Reinigungs und Reparaturarbeiten. Stunden verfliegen beim Zerlegen und Zusammenbauen diverser Gerätschaften an Bord. Auch unser Tauchkompressor feiert Dank frischer Ersatzteile aus Europa eine Wiederauferstehung. Die Reparatur ist soweit voran geschritten und der abschließende Kondomtest zeigt die Vielseitigkeit dieser einfachen Produkte auch außerhalb ihres üblichen Einsatzgebietes. Die somit festgestellte Dichtheit lässt auf einen baldigen Einsatz des Kompressors hoffen.





Das Wetter passt noch immer nicht, um in die Marquesas zu segeln. So bleibt Makemo noch für ein Weilchen unser Zuhause.
Es gibt noch einige wunderbare Begegnungen, davon aber nächstes Mal.

Bis die Tage, versprochen!
Die Alchemisten

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