Freitag, 24. Februar 2012

Begegnungen



Seit der Ankunft der ersten Europäer vor zwei Jhdtn. sind die Bewohner der Pazifikinseln immer wieder grausam behandelt worden. Das reicht von Missionaren und Kolonialherren, die ihre üblichen gräßlichen Spuren hinterließen und zusätzlich gemeinsam mit Matrosen tötliche Krankheiten einschleppten, über Sklavenhandel bis zum Mißbrauch des Gebietes durch die Franzosen für Atomwaffentests und der Beseitigung radioaktiver Abfälle.
Vor allem gegen die Atomwaffentests haben die Polynesier immer wieder erbittert gekämpft.
Sie hatten die üblichen entsetzlichen Auswirkungen dieser Tests zu tragen, es gab Mißgeburten und viele starben an der Strahlenkrankheit. Natürlich nicht und nie offiziell. Selbst gewalttätige Demonstrationen konnten die Wiederaufnahme der Tests 1995 nicht verhindern. Und noch heute hört man von so manchem Fremdenlegionär, der seine frühe Pension hier in diesem Paradies verbringen darf: "Was regen die sich so auf? Wir haben alles ganz genau abgewischt!"...Da bleibt einem der Kloß im Hals stecken.

Das uns die Einheimischen nach diesen vielen negativen Erlebnissen mit Europäern immer noch mit offenen Armen und grenzenloser Herzlichkeit empfangen, können wir nur als Zeichen ihrer Großmut und Versöhnlichkeit sehen. Nur mit den Leuten der "Grand Nation" tun sie sich dann doch etwas schwer..


Auf unserem "Weg der Begegnungen" sind wir noch immer in Makemo unterwegs. Das Kreuzen durch die Lagune fordert die gesamte Aufmerksamkeit von uns beiden, sie ist gespickt mit kleinen und großen Korallenköpfen die bis an die Wasseroberfläche wachsen, sodaß wir immer wider ausweichen müssen.
Als am späten nachmittag die Sonne zu tief steht, um genügend Licht für sicheres Navigieren zu geben, suchen wir uns einfach ein schönes Plätzlchen am Nordrand der Lagune und lassen unseren Anker in den Sand fallen. Die Leinen sind noch gar nicht verräumt, als plötzlich ein Pärchen am Strand steht, und uns mit nachdrücklichem Winken bedeutet, doch rüber zu kommen.
Also lassen wir das Dinghi zu Wasser und paddeln. Schon auf halbenm Weg werden wir von Gaston, bis über die Hüften im Wasser, in Empfang genommen und durch die Korallen gelotst, wo uns am Strand seine Frau Adele erwartet.
Die beiden sind fröhlich und freuen sich sichtlich über den Besuch von uns wildfremden Menschen.
Mit einer Trinknuss in der Hand folgen wir ihnen über ihre auffallend gepflegte Insel. Stolz zeigen sie uns ihr grosses Regenwassersammelsystem, ihren sorgsam aufgepäppelten Papayabaum und pflücken uns die zwei letzten reifen Feigen zum Kosten vom Feigenbaum. "Die grünen brauchen noch ein paar Tage", meint Adele. Es sind die zwei einzigen Bäume auf ihrem Grundstück, die keine Kokosnüsse produzieren. Sonst gibt es hier kein frisches Obst. Außer im Dorf, Äpfel und Orangen aus NZ bzw. USA. für Adele und Gaston aber zu teuer.


So schwer es ist, auf den Koralleninseln irgendwelche Obstbäume zu ziehen, so leicht wachsen üppige Kokospalmen. Die beiden sind zwar in Pension, produzieren aber auf ihrer Insel noch Kopra aus den Kokosnüssen. Das ist eine schweißtreibende Arbeit (was ist in diesem Klima nicht schweißtreibend?), die Kokosnüsse zu ernten, zu sammeln, mühsam zu öffnen, das Kokosfleisch herauszulösen und zu trocknen und gegen alle möglichen hungrigen Viecherl (Ratten, Krabben, Krebse) zu verteidigen.

Nachdem Gaston in einer grossen Tonne Feuer enfacht hat, um mit dem Rauch verbrannter Kokosnusschalen die lästigen Mücken zu vertreiben, bitten sie uns zum Kaffee in ihr bescheidenes Heim.
Der ca. 40m² große Raum ist durch die Einrichtung in einen Wohn- bzw. Schlafbereich abgetrennt. Er ist einfach aber geschmackvoll eingerichtet, Adele liebt es, mit  Palmblättern, die in ihren Händen zu wahren Kunstwerken geflochten werden, Muscheln und schönen Wurzeln zu dekorieren.
Der große Stolz aber ist der Kühl- und Gefrierschrank. Zusammen mit den Solarpanelen, Regler, Batteriebank und Wechselrichter eine Investition von einigen tausend Euros. Gabs im Paket komplett mit Finanzierung. Dafür zahlen sie die nächsten 15 Jahre einen Teil ihrer Pension als Raten zurück. Stellt euch das vor, für einen Kühlschrank 15 Jahre Schulden tilgen!

Sie erzählen uns von ihrer Familie und ihrem Leben.
Die holprige Kommunikation mit Händen, Füßen und Zeichnungen ist lustig. Bevor es ganz dunkel wird paddeln wir auf die Alchi zurück, nicht ohne auch noch mit kunstvoll geflochtenen Hüten aus Palmblättern und frischen reifen Feigen beschenkt worden zu sein. Ihre gesamte letzte Feigenernte zaubern sie aus dem Kühlschrank und bestehen darauf, dass wir alles mitnehmen. Gut, dass wir schon soweit "polynesisch" gelernt haben, und uns ohne Gastgeschenk schon gar nicht mehr an Land wagen. Somit stehen wir wenigstens nicht mit ganz leeren Händen da.
Für uns bestätigt sich wieder der Eindruck, den wir von diesen Menschen, die soweit abgeschieden leben, erhalten haben. Sie leben sehr einfach, und damit auch anspruchsloser. Sie sind zufrieden. Und haben es nicht nötig, nach dem Glück erst zu suchen.
Die Hüte werden uns immer an diese herzliche Begegnung erinnern, auch noch in 15 Jahren, wenn die Solarschulden getilgt sind und der Kühlschrank hoffentlich immer noch kühlt.



Wenige Tage später liegen wir am Südostrand vom Atoll Makemo vor einem kleinen wunderschönen Motu. Die Insel ist mit Kokospalmen bepflanzt, aber nicht wild, es wirkt aufgeräumt, eine winzige gemauerte Hütte mit Wellblechdach und ein Tischchen sind auch schon vorhanden. Wirkt ein bißchen wie eine improvisierte Campingplatzzelle. Zwei Abende genießen wir diese Idylle alleine, genehmigen uns ein Glas Wein zum Sonnenuntergang, strecken die Füße in den Sand, starren ins Lagerfeuer, legen uns auf die schrägen Palmen und blicken mit glänzenden Augen in den atemberaubenden Sternenhimmel der Neumondnacht. Irgendwie wirkt alles irreal, nicht echt. Wie eine Filmkulisse in einem romantischen Kitschfilm und man hat Angst, aufzuwachen.


Am Freitag trifft ein Sportboot ein. 5 Männer laden einen Haufen Zeugs aus dem Boot und bauen ein richtiges Zeltlager unter den Palmen auf. Wir sind enttäuscht. "Das ist unsere kleine Glücksinsel, wir waren zuerst da!". Typisch europäischer Gedankengang. Die Erkenntnis beschämt uns. Polynesisch denken! Freu dich über die anderen Menschen und teile dein Glück mit ihnen, dann erst ist es vollkommen.
Als die Männer mit dem Boot ablegen, winken wir freundlich. Sie winken freundlich zurück. Ich deute auf die Angel und signalisiere eine Frage. Sie lächeln freudig, nicken und kommen längseits an die Alchi. Einer der Männer spricht sogar sehr gut Englisch. Sie öffnen die Kühlbox und schenken uns eine große Stachelmakrele. Wir freuen uns riesig und schenken ihnen eine Flasche Rum. Nun ist die Freude auf ihrer Seite groß. Sie erklären uns, dass sie nun alles für ein schönes Wochenende vorbereitet haben, und jetzt ihre Frauen abholen. 2 Stunden später kommen sie mit ihren Prinzessinnen zurück und schauen gleich nochmal bei uns vorbei. Einer der Jungs produziert eigenen Honig und schenkt uns gleich eine grosse Flasche davon. Honig ist hier sehr beliebt und sehr teuer. Wir bedanken uns noch herzlich und sie laden uns für später ein. Polynesisch. Teilen.


Es ist bereits dunkel, als wir an Land paddeln. Die Gruppe ist gerade beim Essen. Wir bekommen sofort Teller und Besteck in die Hand gedrückt und eine nachdrückliche Aufforderung kräftig zuzulangen. Unsere Mägen dehnen sich schon von den Makrelenfilets, jetzt kommt halt noch was drauf. Ablehnen wäre äußerst unhöflich. Also schmelzen noch "Poisson Cru" (roher Fisch in Kokosmilch) und Fischcarpaccio (roher Fisch in Olivenöl, spritzer Sojasoße, Ingwer, Zwiebelchen,..sabber) auf unserer Zunge. Die halbe Gruppe spricht ausgezeichnet Englisch. Frank und seine Kinder stammen ursprünglich von den englischsprachigen Cook Inseln. Alle sind Zeugen Jehovas. Aber niemand versucht uns zu bekehren oder gar anzuwerben. Sie interessieren sich für die österreichischen Menschen und ihre Religion. Das die Österreicher für ihren Glauben an Gott Steuern zahlen müssen können sie nicht verstehen. Das sei abartig meint eine der Damen.



Später entzünden wir das Lagerfeuer am Strand und lassen uns in den Sand fallen. Eine Gitarre wird herumgereicht und Lieder in Polynesisch, Französisch und Englisch werden inbrünstig vorgetragen. Auch Wolfgang Ambros' Schifoarn wird an diesem Abend zweistimmig über die sanfte dunkle Lagune hallen. Alle Augen glänzen. Glück. Teilen!



Eine weiter Begegnung haben wir auf dem Weg von Makemo zum Atoll Amanu. Natürlich haben wir wie immer unsere 2 Schleppangeln mit den Ködern in Betrieb, als Veronika einen Orca entdeckt, der in hohem Tempo von hinten an unser Köderfischerl heranschwimmt. An der riesigen Finne und der charakteristischen schwarz-weiß Färbung ist das Tier leicht zu bestimmen. Hoffentlich beißt der nicht auf unsere Köder, weil dann müssten wir schnellstens die Leinen kappen, sonst bricht uns der Riese auch noch die Angeln ab. Doch wie auch die Delfine sind die Schwertwale zu intelligent, um auf unechte Fische aus Plastik hereinzufallen. Nach kurzer Inspektion schwimmt er bei den Ködern vorbei und nimmt jetzt direkten Kurs auf unser Heck.
Was will er denn? In Sekundenbruchteilen rasen unsere Gedanken zu den Geschichten, die wir von Orcas gehört haben. Orcas attakieren Yachten? War das eine Story mit Seemannsgarn oder eine bestätigte Pressemeldung? Himmel, der kommt aber ganz schön schnell näher! Tam Tam Tam Tam, die Titelmelodie aus dem Film der weiße Hai ist plötzlich zu hören. Wo kommt denn die auf einmal her? Ach so, das ist der eigene Puls der so laut und schnell schlägt. Verdammt, nur noch ein paar Meter, ach Gott ist der groß! Will der ins Ruderblatt beißen? Was sollen wir machen???

Auch wenn ihr ihn nicht erkennt, hier schwimmt ein Orca unter der Alchi!
Wir wissen dass er da ist!

Knapp hinter unserem Heck taucht der Orca unter unsere Yacht und überholt uns unter Wasser. Wir können das beeindruckende Tier mit einer geschätzten Größe von 6m sehr gut erkennen, als es  am Heck des Schiffes plötzlich verschwindet und, natürlich ohne jeglichen Kontakt, durchtaucht. Sekunden vergehen, dann beginnen plötzlich unsere Lungen wieder zu arbeiten und wir saugen kraftvoll die frische Meeresbriese ein. Unser Tiefenmesser zeigt bei nicht mehr meßbaren Tiefen über 100m immer den zuletzt gemessenen Wert blinkend an. Jetzt blinken dort gerade 3,3m, das waren die Echos vom Orca.


Liebe Grüße
die Alchemisten

Montag, 13. Februar 2012

Zurück in den Tuamotus



Lebenszeichen

Weder Moby Dick hat uns verschluckt, noch sind wir das Opfer von Kannibalen geworden. Wir sind auch nicht einfach irgendwo in dieser Welt einsamer Inseln untergetaucht. Es gibt hier einfach kaum ein funktionierendes Internet. Kein Internet = kein Blog mit Fotos. Und wen interessiert da schon das Geschwafel von den schönsten Südseeatollen, ohne Fotos? Außerdem, wenn wir schon gemein sind und euch den Mund sabbrig machen, dann auch gscheit!

Aber nun Eines nach dem Anderen.

Das Atoll Tikehau ist uns leider grade mal einen Tag vergönnt. Der nördliche Wind muss ausgenutzt werden, und trägt uns weiter Richtung Osten. Mit prall gefüllten Segeln gleitet das Schiff unter azurblauem Himmel durch scheinbar endloses Wasser. Das sind die Momente, wo uns die Größe dieses Ozeans bewußt wird, und wir uns ganz winzig in unserer Nusschale fühlen. Bis wir die weiße Linie entdecken, die anzeigt, wo die Ozeanwellen gegen ein Korallenriff knallen. Die lange Dünung zieht unter unserem Schiff Richtung Riff, um dort mit gewaltigem Getöse zu brechen und ihre weiße Gischt zu versprühen.


 Rangiroa, das zweitgrößte Atoll der Welt liegt vor uns und nimmt schnell Gestalt an. Bald können wir dicht mit Palmen bewachsene Motus erkennen und finden nur Dank unserer Seekarten eine von nur zwei schmalen Lücken in diesem riesen Atoll, die es uns ermöglichen, in die geschützte Lagune zu kommen.
Nur eine leichte Strömung steht im Pass gegen uns. Ich stehe vorne am Bug und sehe durch das glasklare Wasser bis auf den Grund. Unter mir ziehen Korallenköpfe durch, dazwischen kann ich sogar einzelne Fische ausmachen. Vor uns zieht ein Adlerochen majestätisch seine Bahn, wie um uns den Weg in seine Lagune zu weisen.



Neben dem Dorf finden wir ein türkises Plätzchen vor einem Hotelresort zum Ankern. Ob die Internet haben?
Diese feinen Bungalows mit Glasboden über türkisem Wasser, sehen schon ganz nett aus.  In Anbetracht der Umstände, dass es auf den Atollen eigentlich nur Regenwasser zum sammeln gibt, fragt man sich natürlich, wie solche Resorts zu den Wassermengen kommen, die dauerduschende Touristen, Bettwäsche und Handtücher waschende Waschmaschinen und geschirrspülende Gewerbemaschinen täglich wegschlucken. Wahrscheinlich von einer Meerwasser-Entsalzungsanlage die, wie auch die ganzen anderen elektrischen Verbraucher, von einem Generator gespeist werden, dessen Durst wiederum mit Diesel gestillt wird. Diesel wird in Fässern von einem Schiff aus Tahiti herangebracht, wie auch Gemüse, Fleisch, Fisch und vieles mehr. Die Komplexität der Versorgung ist wohl auch der Hauptgrund, warum der Tagessatz bei 800.- EUR pro Person Vollpension liegt.
Internet, wenn überhaupt, gibt es nur auf den großen touristischen Atollen im Hauptdorf. Abseits herscht informationstechnologische Wüste. Gerade zu den Feiertagen, wo eh das Heimweh noch mehr plagt als sonst wird einem das Leben so ganz ohne Skype schon schwer gemacht. Da werden dann schon mal interessante Ideen ausprobiert, um mit der Aussenwelt in Verbindung zu treten.

Z.B. wissen wir als schlaue Mobiltelefonierer, wie wir die Handy-Empfangsschwäche entscheidend umgehen können. Und das geht so: Zuerst schreibt man ein SMS und sendet es mit 5 automatischen Wiederholungen. Während das Handy senden probiert, schmeisst man es schnell in eine Tasche und zieht diese dann bis in die Mastspitze, wo üblicherweise die Handystrahlen der entfernten Antenne noch stärker sind als am Boden. Nach einer Weile lässt man das Handy wider herunter und überprüft die ordnungsgemäße Sendung. Normalerweise. Wer aber vergisst, ein Gegengewicht in die Tasche zu packen, darf vor Weihnachten nochmals in das Masttop aufentern um sein Handy zu bergen und sicher zu Boden zu bringen. Ja, ja, der körperliche Einsatz, um mit unseren Lieben in Verbindung zu bleiben, ist bei uns sehr hoch.



 Immer auf der Suche nach möglichst geschützten Ankerplätzen und unserem "Weihnachtsinselchen", durchkreuzen wir die Tage vor Weihnachten die Lagune von West nach Ost, von Nord nach Süd. Dabei stolpern wir mitten in der Lagune über eine äußerst interessante Insel, Noa Noa. Die Bezeichnung der Insel und sogar mit Namen, ist bei gerade mal 70qm Landfäche schon etwas übertrieben, Korallenschutthaufen passt da wohl eher. Aber auf dem kleinen Haufen wächst ein Strauch. An sich wäre das ja nichts besonderes, wenn nicht dieser Busch durch seinen Schatten das perfekte Mikroklima für eine von Menschenhand dort platzierte Pflanze spenden würde. Ein profunder botanischer Vergleich mit der abgedruckten Flora auf einem uns zur Verfügung stehenden Bob Marley T-Shirt, ergab 100%ige Übereinstimmung. Diese "Reggae" Pflanze ist der eindeutige biologische Beweis, das Musik alle Grenzen überwindet.






Die schönste Weihnachtsüberraschung bescheren uns unsere Freunde Sandra und Reini von der Ave Gitana. Mit ihrem sportlichen Trimaran segeln sie von Apataki 100 sm zurück, um die Weihnachtsfeiertage mit uns zu verbringen. Das ein Versorgungsschiff mit Obst und Gemüse aus den Marquesas noch ihren Weg kreuzt, ist eine glückliche Fügung, die uns mit den leckersten Mangos und Pampelmusen versorgt. Unsere Weinachtskekse sind auch rechtzeitig fertig. Warum die Kekse so "happy smilen" liegt vermutlich an dem "Reggae-Kraut" das in das Rezept Eingang gefunden hat. Einem relaxten Weihnachtsabend steht also nichts mehr im Weg!










"Opa" Philip ist schon gut drauf!
Letztes Atoll im Jahr 2011 wird für uns Toao. In der Bucht "Anse Amyot" wohnen Valentine und Gaston mit Opa Philip. Sie leben vom Verkauf und Tausch von Fischen und Langusten und wenn Segler vorbeikommen, werden diese gerne bekocht.
Schnell finden wir einen Draht zueinander, zu jeder Tageszeit werden wir herzlich empfangen, immer ist Zeit für ein Tratscherl, und wir beschließen, den letzten Tag des Jahres gemeinsam zu verbringen.   
Neben Chico und Mira von der öst. SY "Chi" sind auch 5 Long Tail Fischer auf ihrem Weg in die Fanggründe an Toao vorbeigekommen, und gleich laufen die Vorbereitungen für die Sylvesterfeier auf Hochtouren.


Früh morgens des letzten Tages im Jahr wird sogar ein Ferkel geschlachtet und alles davon zu allem erdenklichen verarbeitet. Die Fischer steuern einen großen Truthahn zum Gelage bei und wir Österreicher sind für die Nachspeisen verantwortlich. Den ganzen Tag wird zerlegt, geschält, gekocht, gebacken, gegrillt,  Kokosnüsse werden von den Bäumen geholt und deren mühsam gewonnener Inhalt findet sich in Kuchen, Punsch und Fischgerichten wieder. Die Festtafel, schließlich unterm Sternenhimmel, biegt sich dann  von all den Schlemmereien.

Mangels konversationsfähigem Französisch verlegen wir uns bald auf die Mimik und Gestikulation. So ein pantomimisch dargestellter Fischzug kann dann schon eine halbe Stunde dauern und einem mit den erforderlichen Verrenkungen ganz schön ins Schwitzen bringen. Es ist ein lustiger und herrlicher Abend mit diesen offenen, herzlichen und so fröhlichen Menschen. Wieder haben wir uns ein Stückchen mehr in diesen traumhaften Flecken unseres Planeten mit seinen wunderbaren Menschen verliebt. Überhaupt alles scheint hier von Herzen zu kommen. Die Blicke, die Gesten, das Lachen.


 Die ersten Tage des neuen Jahres verbringen wir noch bei Valentine, Gaston und Philip. Alles mögliche wechselt seine Besitzer, es wird getauscht und geschenkt. Irgendwann heißt es aber auch hier Abschiednehmen. Den ganzen letzten Tag haben wir aus einem Bambusrohr eine extralange LED-Lampe gebastelt. Als wir sie den dreien als Abschiedsgeschenk über dem großen Tisch unterm Baum montieren, kann sich Valentine nicht mehr halten und verschwindet im Haus, um kurz darauf geheimnisvoll lächelnd mit einem Säckchen wiederzukommen. Sie alle sind ganz glücklich, jetzt nicht mehr bei Einbruch der Dunkelheit den lauten, durstigen Generator starten zu müssen. Die gespeicherte Solarenergie reicht nun aus, den ganzen Abend  mit Gästen an der langen Tafel bei gutem Licht zu sitzen. Auch ihr großzügiges Abschiedsgeschenk an uns ist etwas ganz Besonderes. Perlen aus ihrer eigenen kleinen Perlzucht! Damit diese berühmten dunklen Perlen auch zu einem Schmuckstück verarbeitet werden können, leiht uns Valentine sogar noch ihre  heilige, extra aus Alaska importierte Perlbohrmaschine. Mit dem Versprechen, im April bei unserer Rückfahrt von den Marquesas wiederzukommen, können wir uns verabschieden und brechen weiter Richtung Südosten auf.


Die Polynesier sind aber nicht nur ein heiteres, sorgloses Völkchen, sondern natürlich auch cool. Vor allem die Jungs. Dazu gibt es eine sehr wichtige und häufig anzutreffende Geste. Die im ganzen polynesischen Raum verbreitete "alles cool", "relax", "hang loose" Geste. Dazu streckt man von der Faust den kleinen Finger und den Daumen  weg. Es ist Frage und Antwort zugleich und bedeutet seelisches und körperliches Wohlbefinden. Diese Geste ist wohl in Österreich auch sehr bekannt und beliebt, nur wird sie ausschließlich vor dem Mund und mit einem kleinem Wippen des Handgelenks ausgeführt. Und ihre Bedeutung ist, das körperliche und seelische Wohlbefinden herbeizuführen. Gluck gluck ;-)
Auch im nächsten Atoll (Katiu) senden uns die kontaktfreudigen lokalen Kids wieder diese freundliche polynesische Signal. Allerdings ist noch nicht jeder der Buben im Besitz der notwendigen feinmotorischen Fähigkeiten. Das tut der Herzlichkeit und Freude keinen Abbruch.



Makemo erreichen wir schon einen Tag später. Im kleinen Dorf können wir uns mit dem notwendigsten versorgen und durchkreuzen dann das Atoll, immer auf der Suche nach den schönsten Flecken. Meist mit beiden Angeln hinten nach, nur keine Leerfahrten! Das fruchtet auch oft, diesesmal springt uns unser bisher grösster Fisch auf den Haken. Ein 14 kg Baraccuda mit 136cm kein Pemmal mehr!
Erst ist  natürlich die Freude groß, dieser Brocken stellt uns nun aber auch vor ein Problem.
Nun verhält es sich in den Tuamotus so, das Ciguaterra sehr unterschiedlich auftritt. Manche Atolle sind überhaupt nicht davon betroffen, in anderen gilt nur die ein oder andere Fischart als gefährlich. Wir nehmen das Problem ernst, und versuchen immer auf dem jeweils aktuellen Stand zu sein. Im Fall Makemo wissen wir von befreundeten Seglern, dass man hier unbedenklich jeden Fisch geniessen kann. Vorsichtshalber haben wir sogar noch beim Besitzer des Lebensmittelladens nachgefragt, der uns diese Auskunft bestätigt hat. Bei unserem Riesenräuber aber sind wir nun doch skeptisch. Da am Ende der Nahrungskette, gilt er als einer der am meist mit Ciguaterra angereicherten Fische.


Gespräch unter Fischern
Was tun also? Ab ins Dinghi, samt unserer grossen Beute und auf die Suche nach den nächsten Polynesier.  Wir treffen auf Coprabauern, werden mit einer Trinkkokosnuss herzlich begrüsst und gleich wird unser Riesenfang bestaunt. Nun sind sich auch die Lokals nicht mehr 100% sicher. Aber sie haben eine Lösung. Um ihre Copraausbeute gegen Krabben und Ratten zu schützen, haben sie eine ganze Hundefamilie, die uns um die Beine schwänzelt und sich auch sehr interessiert an unserem Fisch zeigt. So wird der Baraccuda gleich an Ort und Stelle zerlegt und die ersten Brocken an die Hunde verfüttert. Nachdem die gesamte Hundebande nach einer halben Stunde immer noch quicklebendig ist, wird einstimmig beschlossen, daß der Fang nun auch in unserer Pfanne landen kann. 2/3 davon verschenken wir, und ernähren uns immer noch für die nächsten 4 Tage vom Rest. Richtig fette Beute!



Die nächsten Tage finden wir unsere perfekte einsame Insel und führen ein Robinsonleben. Mit der Machete in der Hand erkunden wir das kleine Motu, lassen uns den Saft von frischen Trinknüssen über das Kinn laufen und schlagen uns knackige Palmherzen aus jungen Palmen. In mondlosen Nächten suchen wir am Aussenriff nach Lobstern.  Tagsüber jagen wir mit der Harpune zwischen den Korallen jeden Fisch in Pfannengröße und stöbern Oktopusse in den Ritzen auf.



Wir sammeln Holz, trockene Kokosnusschalen und Palmblätter, richten mit Korallensteinen eine Feuerstelle ein, säubern den Fisch und bereiten Zuspeisen. Von frischen Palmblättern haben wir gelernt, Teller und Schüsseln zu flechten. Ganz einfach, aber besser kann ein Abendmahl nicht schmecken! Fehlt nur noch ein Glas Wein zum Sonnenuntergang.








Die Nacht bricht hier herein mit der übergangslosen tropischen Plötzlichkeit. Eben noch gleicht die Lagune einem farbenprächtigen Brokatgewebe, im nächsten Moment schimmert sie in seidiger Schwärze, die nur unterbrochen wird von den Sternen, die sich im Wasser spiegeln und dem Mond, der seinen silbernen Zauber über alles legt.
In diesen Momenten gibt es keine Sorgen. Nur Wunder. Das Universum, unsere Erde, der Mensch, die Liebe. Man kann spüren, wie sich die Seele mit Glück füllt.
 
Wir lehnen im Sand an einer Palme, lauschen den Geräuschen der Natur und hängen philosophischen Gedanken nach.
Ungestörte Idylle.





Nicht ganz. Die meisten nichtmenschlichen Bewohner der Motus (Inseln rund um die Lagune) sind nachtaktiv und die Anwesenheit von Menschen nicht gewohnt. Daher wuseln nächtens auch Heerscharen von Einsiedlerkrebsen und Krabben auf der Suche nach Nahrung über den kühlen Sandboden. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass sie das Lagerfeuer anzieht, weil manchmal der Eindruck entsteht, dass sie sich zielstrebig auf die Glut zu bewegen.




Die lieben Krebserl tun aber keinem etwas und es hat sich auch noch keiner ins Feuer gestürzt. Ein anderer unwillkommener Gast am Lagerfeuer ist das "Palmhörnchen". Besser unter seinem wissenschafftlichen Namen "Rattus ordinarius", die gewöhnliche Ratte bekannt. Ist sie zu übermütig und kommt dem Menschen zu nahe, endet der dann entstehende Kampf, kleiner Nager gegen große Machete, manchmal für den kleinen Nager mitunter tödlich. Wir haben die Ratte dann an die Haie verfüttert, die haben sie aber überraschender Weise wieder ausgespuckt. Wahrscheinlich zu pelzig für einen Fisch.


Abgesehen von der Lagerfeuerromantik bringt uns der Alltag auch immer wieder Reinigungs und Reparaturarbeiten. Stunden verfliegen beim Zerlegen und Zusammenbauen diverser Gerätschaften an Bord. Auch unser Tauchkompressor feiert Dank frischer Ersatzteile aus Europa eine Wiederauferstehung. Die Reparatur ist soweit voran geschritten und der abschließende Kondomtest zeigt die Vielseitigkeit dieser einfachen Produkte auch außerhalb ihres üblichen Einsatzgebietes. Die somit festgestellte Dichtheit lässt auf einen baldigen Einsatz des Kompressors hoffen.





Das Wetter passt noch immer nicht, um in die Marquesas zu segeln. So bleibt Makemo noch für ein Weilchen unser Zuhause.
Es gibt noch einige wunderbare Begegnungen, davon aber nächstes Mal.

Bis die Tage, versprochen!
Die Alchemisten